Die Effektivität der Ehrlichkeit unterschätzen viele Führungskräfte und Recruiter im Recruitingprozess. Es ist von großer Bedeutung nicht nur auf der Karrierseite und in den vielen anderen analogen / digitalen Touchpoints über die Kulturmerkmale der Organisation zu sprechen, sondern auch im persönlichen Gespräch mit Kandidaten. Somit kann der Kandidat selbst prüfen, ob er mit seiner Arbeitspräferenz, seinen persönlichen Werten, die sein Handeln & Arbeiten bestimmen, zum Unternehmen passt. Die kulturelle Passung ist der Schlüssel zum Teamerfolg. Wer sich entscheidet zu einem Unternehmen zu gehen aufgrund der Vergütung & Benefits, der wird auch schnell wieder wegen diesem Grund das Unternehmen verlassen.
Den kein Geld der Welt heilt den persönlichen Schmerz/Frust, den ein/e Mitarbeiter:in empfindet, wenn seine Grundbedürfnisse nach Zugehörigkeit, Autonomität, Sicherheit und Selbstverwirklichung vernachlässigt werden.
Nehmen wir die Sicht der bestehenden Mitarbeiter/innen ein. Eine Arbeitgebermarke wird oft mit den Unternehmenswerten und -Leitlinien in Einklang gebracht. Werte geben eine Handlungsorientierung. Gleich wie Führungsprinzipien. In vielen Organisationen sind die Unternehmenswerte ähnlich fast identisch: Performance/Leistung/Exzellenz, Eigenverantwortung/Verantwortungsübernahme, Wertschätzung/Respekt/Fürsorge, Teamplay/Zusammenhalt,…Und meistens ist der Kunde noch integriert: mit Sätzen wie die „Wettbewerbsfähigkeit des Kunden zu stärken, die beste Lösung für den Kunden,…“
Obwohl die Unternehmenswerte sich bei vielen Organisationen ähnlich sind, ist die Kultur doch unterschiedlich. Kultur steckt in der Sprache, Ausdrucksweise, im Stil & Mittel der Kommunikation, kurzum im menschlichen Miteinander, im Verhalten und in der Reaktion sowie in der Bewertung von Situationen. An einem kürzlich erlebten Beispiel kann ich das Thema Kultur näher erläutern: Auf einer Führungskräfteveranstaltung war ich als Teilnehmer und somit als Beobachter präsent. Was ich wahrgenommen haben, neben dem starken Erfolgsspirit durch gegenseitigen Applaus für erreichte Ziele, ist das gegenseitige humorvolle Necken des Managements auf der Bühne. Dieser Humor zeichnet die Kultur aus. Solche Beobachtungen sind Kulturmerkmale einer Organisation. Oder auch das Verhaltensmerkmal der Führungskräfte zu spät in Meetings zu kommen. 😊
Oder was ich auch noch in keiner Organisation erlebt habe, ist dass Führungskräfte zu Trainings alle fünf Minuten vor Start bereits am Platz sitzen und auf den Moderator/Trainer warten. Ziehen sich solche Merkmale durch alle Führungskräfte und Abteilungen durch, dann sprechen wir von einem Kulturmerkmal. Und das ist erlebbar. Da sage ich dann glatt einem Bewerber im Bewerbungsgespräch: Bei uns in der Organisation musst du dich darauf einstellen, dass die Meetings immer zwei Minuten später starten, oder alle super pünktlich vor Start des Meetings im Call sind.
Und nochmal, die attraktive Vergütung sowie die Corporate Benefits binden uns Menschen nur kurzfristig, das verbindet Element ist die Kultur, das Verhalten sowie die Kommunikation miteinander. Dreh und Angelpunkt für eine authentische Arbeitgebermarke sind Führungskräfte und ihr Verhalten, interne Kommunikation, die Aufbau- und Ablauforganisation sowie die HR-Politik und -Management. Organisationen sprich Unternehmen können nicht „menschlich“ werden. Ihr Ziel ist die Wirtschaftlichkeit. Ich bin der Überzeugung, dass mit einem nachhaltigen Employer Branding / Arbeitgebermarken-Management eine Organisation / Unternehmen emotionaler, erlebbarer und nahbarer werden kann.
Wie kann ich Kulturmerkmale in meinem Unternehmen beobachten oder ermitteln?
Durch kleine Fokus-Gruppen unterschiedlicher Zielgruppen (Newbies, langjährige Mitarbeiter:innen, Führungskräfte, Generationen;..) kannst du durch gezielte Fragestellungen mit systemischen Ansatz Kulturmerkmale herausarbeiten. Wichtig dabei ist, dass es Merkmale sind, die in alle Gruppen sich herauskristallisiert haben.
Wenn du ggf. ein Merkmal bei zwei Gruppen entdeckt hast, könntest du es in die nächste Gruppe spielen und auch sehen, ob die Gruppe eine Resonanz aufweist. Dabei solltet ihr nicht nur auf die positiv behafteten Merkmale schauen, sondern auch jene, die als negativ bzw. weniger lustvoll bewertet werden. Im Employer Branding Slang sind das die „Ecken und Kanten“ einer Arbeitgebermarke. Die besten Ergebnisse aus den Fokusgruppen bekommst du, wenn der Moderator kein eigener Mitarbeiter aus dem HR-Bereich ist, sondern eine Person, die einen systemischen Background hat und eine beratende Rolle einnimmt.
Hast du deine Themenfelder identifiziert, dann fängt die Strategiearbeit erst richtig an. 😊 Und arbeitest du in einem internationalen Umfeld und möchtest eine globale Arbeitgebermarke definieren, dann stellst sich zunächst einmal die Frage, wie viel Unterschiedlichkeit lasse ich zu? Wie kohärent soll die Marke sein? Können Landesgrenzen wirklich „Grenzen“ sein? Welche Auswirkung hat eine Landeskultur auf die Unternehmenskultur? Wie stark beeinflusst die Landessprache das Verstehen, die Kultur und die Wahrnehmung?